Thema seit 100 Jahren:
Ventilkappe abschrauben, Stecker des Messgeräts aufsetzen, gewünschten Luftdruck einstellen – fertig. Klingt einfach, ist einfach, und wird doch häufig vergessen.
Dabei ist der Reifen das einzige Bindeglied zwischen Auto und Fahrbahn. Dass das Thema nicht neu ist, zeigt ein Blick in die „DEKRA Zeitschrift“ aus dem Jahr 1927.
Schon im Jahr 1927 warnte die „DEKRA Zeitschrift“ vor dem falschen Umgang mit Kraftfahrzeugreifen.
Auf einer postkartengroßen Auflagefläche muss das Gummi beim Beschleunigen, Bremsen oder in der Kurve sowie bei hohem Tempo enorme Kräfte übertragen. Wie gut das funktioniert, hängt nicht nur von Größe, Gummimischung und Profil des Reifens ab. Vor allem wollen Reifen pfleglich behandelt werden: Den Bordstein mit viel Schwung oder jede Kurve mit quietschenden Reifen zu nehmen schadet dem Gummi ebenso wie mit einer halben Reifenbreite auf der Kante zu parken.
Reifendruck: Entscheidende Einflussgröße für Lebensdauer und Fahrverhalten
Entscheidenden Einfluss auf Lebensdauer der Reifen sowie die Fahreigenschaften des Autos hat aber der Reifendruck. Schon 0,5 bar zu wenig lässt den Kraftstoffverbrauch steigen und führt zu instabilem Fahrverhalten, insbesondere in Kurven. Bei längerer Dauer und schnellerer Fahrt besteht die Gefahr, dass der Reifen versagt.
All das sind keine neuen Erkenntnisse. Seit 100 Jahren kümmert sich DEKRA um Verkehrssicherheit. Schon 1927 klärte die „DEKRA Zeitschrift“ in einem ausführlichen Artikel über „Die Folgen falscher Behandlung von Kraftwagenreifen“ auf. Mit Fotos von gebrochenen Wülsten, zermürbtem Gummi und beschädigten Felgen wies DEKRA auf die Folgen falschen Reifendrucks hin. Dabei bezogen sich die Sicherheitsexperten explizit auf die noch relativ neuen „Hochdruckreifen“. Die demontierbaren Luftreifen für Autos waren zwar schon allgemeiner Standard, ältere Fahrzeuge rollten aber häufig noch auf ungefederten Vollgummis.
DEKRA warnte damals:
„Es ist eine keineswegs übertriebene Behauptung, daß mit vielen Reifen lediglich durch Verschulden des Verbrauchers nicht die Kilometerleistung erzielt wird, die ein Automobilreifen eigentlich haben sollte. Dies ist auf Sorglosigkeit, Nachlässigkeit, Unwissenheit oder Unaufmerksamkeit sowie in den überwiegenden Fällen auf einen Mangel an Überlegung zurückzuführen. Man vergegenwärtigt sich nicht, dass ein Reifen mit ungenügendem Luftdruck nicht in der Lage ist, das Gewicht tragen zu können, ohne die Decke und den Schlauch einer Überanstrengung auszusetzen, die zur frühzeitigen Zerstörung führt.“
Konkret werde die Decke des Reifens bei geringem Druck „übermäßig zusammengedrückt oder gequetscht“, was zur „Überanstrengung der Cordeinlagen und zum Bruch der Fäden“ führe.
Der richtige Fülldruck ist eine entscheidende Größe für das Fahrverhalten des Autos und die Lebensdauer des Reifens.
Die Folgen von zu niedrigem Fülldruck für die Reifen
Daran hat sich in 100 Jahren prinzipiell nichts geändert. Auch bei modernen Pneus liegen die Außenkanten bei zu schwachem Druck stärker auf als gewünscht und nutzen sich dadurch schneller ab als die Mitte der Lauffläche. Außerdem verformt sich das Gummi, die Gewebeeinlagen reiben aneinander. Experten reden hier von „Walken“. Diese Reibung erhitzt das Gummi übermäßig. Im Extremfall lösen sich sogar Schichten ab oder der Reifen platzt.
Also den Reifen im Zweifelsfall etwas stärker als vorgesehen aufpumpen? „Das ist auch keine gute Idee“, warnt Christian Koch, Reifenexperte bei DEKRA. Zu viel Druck helfe weder der Fahrsicherheit noch der Lebensdauer. „Im Extremfall wölbt sich die Mitte der Lauffläche. Das verkleinert die Auflagefläche des Reifens. Die Bodenhaftung sinkt, der Bremsweg wird länger und die Lauffläche nutzt sich schneller ab.“
Wie aber erkennt man den richtigen Reifendruck? Seit 2014 ist jeder Neuwagen in der EU mit einem Reifendruck-Kontrollsystem (RDKS) ausgestattet. Bei einer Veränderung des Fülldrucks an einem Rad leuchtet eine Warnlampe auf. Manche Autos haben sogar einzelne Anzeigen für alle vier Räder – hier wird der Druck jeweils am Ventil gemessen.
Sicherheitshalber sollte man den Druck aber trotzdem regelmäßig prüfen. Spätestens jedoch, wenn ein Urlaub ansteht oder der Wagen anderweitig vollgeladen wird. Denn der richtige Reifendruck hängt von Beladung und Reifengröße ab und unterscheidet sich zudem meist zwischen Vorder- und Hinterachse.
Faustregel: Je höher das Gewicht, desto höher der Druck. Vorne sitzt der schwere Motor, deshalb verlangen die Vorderräder oft etwas mehr Luft. Wer aber voll beladen in den Urlaub startet oder lange Strecken mit sehr hohem Tempo plant, muss den Druck um bis zu 1 bar erhöhen. Alle vom Hersteller vorgegebenen Werte stehen in der Bedienungsanleitung. Außerdem finden sich in den meisten Fahrzeugen entsprechende Aufkleber an der B-Säule innerhalb der Fahrertür, in der Tankklappe oder im Handschuhfach.
Reifendruck prüfen ist kein Hexenwerk
Vor 100 Jahren war es sehr viel komplizierter als heute, den Reifendruck zu prüfen. Tankstellen fanden sich nicht an jeder Ecke, viele hatte noch nicht einmal Pumpe und Messgerät. Und falls doch, waren es meist handbetriebene, eher ungenaue Stift- oder Röhrenmanometer mit Feder und Skala. Oder einfache Handpumpen mit Manometer, wie man sie heute als Fahrradpumpen kennt.
Heute geht das Ganze schnell an jeder Tankstelle: Ventilkappe abschrauben, Stecker des mobilen Messgeräts aufsetzen und über die Plus- und Minus-Knöpfe des Kompressors den Druck anpassen. An manchen Stationen stehen auch fest installierte Kompressoren mit einem langen Schlauch. Dort wird der Wert am Gerät digital angezeigt und voreingestellt. Dann den Schlauch festklemmen und die Prüfung starten. Der Kompressor passt den Druck automatisch an.
5 Tipps für ein langes Reifenleben
Quelle: DEKRA e.V.